Drei Fragen an DARUM

Ihr arbeitet das erste Mal bei uns am Theater am Werk. Im Ankündigungstext zu ALLE LUST steht, dass Ihr das Publikum „in Form eines ‚Preenactments‘ mit dem alten (neuen) Traum vom menschlichen Sieg über den Tod konfrontiert“. Was darf sich unser Publikum darunter vorstellen? Wie ist Eure Herangehensweise?

Ausgehend vom Gedanken des „Reenactments“ – also einer Rekonstruktion eines historischen Ereignisses auf spielerische Form – wollten wir uns auf künstlerische Weise dem möglichen Ereignis der Überwindung des natürlichen Todes auf eine Weise widmen, die danach fragt, wie das Ganze denn tatsächlich aussehen könnte – und was das für uns als Gesellschaft bedeuten würde. Das Schöne an einem historischen Ereignis, welches noch nicht stattgefunden hat, ist, dass man sich zahlreiche künstlerische wie erzählerische Freiheiten nehmen kann. Dennoch war es uns bei aller bewussten Überzeichnung auch wichtig, mögliche Diskurse der Zukunft mit heutigen auf eine plausible Weise zu verknüpfen. Was hieße es für unsere persönliche Moral oder Motivation, wenn wir nicht mehr sterben würden? Sind wir überhaupt der Unendlichkeit gewachsen? Oder bleibt nicht doch am Ende eine leise Sehnsucht nach „Erlösung“, wie auch immer die aussehen mag? 

Mit Eurer letzten, mehrfach zu renommierten Festivals im deutschsprachigen Raum (u.a. Berliner Theatertreffen, Impulse Festival) eingeladenen, digitalen Installation „[EOL]. End of Life“ schickt Ihr das Publikum mittels Virtual Reality-Brillen auf eine Reise durch ein Metaverse. Nun inszeniert Ihr bei uns auf der großen Kabelwerk-Bühne einen multimedialen Abend zwischen Musiktheater & Performance. Wie findet Ihr die Formate zu Euren Themen bzw. was ist zuerst da?

Meist entstehen Form und Inhalt Hand in Hand, da wir der Ansicht sind, dass der Inhalt bestimmte Formen diktiert und ebenfalls andersherum. Dennoch ist das natürlich oft trotzdem eine Suche, bis man zu einer Einheit von Inhalt und Form findet, die sich als die einzig richtige anfühlt. Bei „[EOL]. End of Life“ ging das flott, da sich die Verwendung des Mittels der Virtual Reality recht schnell aufdrängt, wenn man von Spuren Verstorbener im virtuellen Raum erzählen möchte.

Bei ALLE LUST wiederum war uns schon früh klar, dass wir das Ereignis des letzten natürlichen Todes als Spektakel in Form einer Show erzählen wollten – die natürlich ihren ganz eigenen Regeln und Dramaturgien folgt, welche mit jenen von Sterben und Tod weitgehend inkompatibel sind. Das vielbeschworene „Plötzliche und Unerwartete“ und der Ausnahmezustand vertragen sich nicht gut mit den starren Vereinbarungen einer Samstagabend-Show, die ihre Kraft aus der routinierten und stets und ausnahmslos funktionierenden Großmaschinerie aus Technik, Wort und Körper zieht. Diese Reibung, dieses Nebeneinander von Unvereinbarem hat uns formal und inhaltlich interessiert, zusammen mit der Freude an einem SciFi-geprägten Was-wäre-wenn-Gedankenspiel sowie formalen Experimenten mit Wiederholung, Abnutzung und der Authentizität des Augenblicks angesichts niemals endender Zeit.

In Euren Arbeiten wie „Ungebetene Gäste“, „Ausgang: Offen“ aber auch „[EOL]. End of Life“ und ALLE LUST setzt Ihr Euch mit dem Thema des menschlichen Todes auseinander. Wie ist Eure Affinität zu diesem Themenkomplex entstanden?

Wir haben eigentlich gar keine Affinität im klassischen Sinne dazu. Eher im Gegenteil: Wir befassen uns vor allem mit Themen, die uns nicht loslassen, aufwühlen und beunruhigen und mit denen man selten nach nur einem Projekt fertig ist. Der Tod ist da nur ein solcher Themenkomplex von vielen, aber zugegeben ein so großer und so viele Bereiche unseres Lebens und Daseins bestimmender oder wenigstens beeinflussender, dass meist aus dem einen Projekt heraus mehr neue Fragen entstehen als Antworten auf dieses bohrende Gefühl der Unruhe gefunden werden können.

Insofern sind wir mit dem Thema wohl auch nach diesem Projekt noch nicht endgültig fertig. Wir planen aber fest, uns in unseren kommenden Projekten auch anderen aufwühlenden Themen zu widmen – so möchten wir uns beispielsweise im Rahmen einer Fortsetzung zu „[EOL]. End of Life“ dem großen Thema Liebe widmen. Einen düsteren Twist wird es allerdings trotzdem wieder geben – insofern kann man wohl zumindest, wenn nicht von einer Affinität, dann doch zumindest von einem gewissen Nichtlosgelassenwerden in Bezug auf beunruhigende Themenkomplexe sprechen. Wir mögen da immer gern den Begriff der Autopsie im buchstäblichen Sinne des Wortes, also im Sinne eines „Selbersehens“, um die Dinge besser verstehen, begreifen oder wenigstens erahnen zu können. Und die wenigsten Autopsien sind ja letztlich schön oder erfreulich anzusehen. 

Die Fragen stellte Hannah Lioba Egenolf.