Man stößt im Theater immer wieder auf Heiner Müller und sein Verständnis von „Stoff“ – also „Material“, das nicht als abgeschlossene Geschichte behandelt, sondern offen, fragmentarisch und neu zusammensetzbar gedacht wird. Das war einer unserer zentralen Gründe, uns mit dem „Medea-Material“ zu beschäftigen: den Mythos nicht als fertige Erzählung, sondern als offenes Material zu begreifen, das dekonstruiert und neu zusammengesetzt werden kann, um aktuelle gesellschafts- und machtpolitische Fragen sowie das europäische Kolonialerbe zu verhandeln.
Hinzu kommen weitere Autor*innen wie etwa Elfriede Jelinek, Christa Wolf, Toni Morrison oder Pier Paolo Pasolini, die den Medea-Mythos jeweils auf ihre eigene Weise neu interpretiert haben. Das hat uns zusätzlich Rückenwind gegeben. Gleichzeitig stellte sich für uns die Frage, wie sich Gods diesem alten Stoff annähern und welche spezifische Perspektive wir heute darauf entwickeln können. Und welche „Figuren“ sind eigentlich diese Autor*innen, die wiederum die Figur Medea auf ihre Weise neu interpretieren?