Drei Fragen an God's Entertainment

Drei Fragen an God's Entertainment

Ihr beschäftigt Euch schon sehr lang mit dem „Medea-Stoff“ und diesem Projekt. Woher kommt Euer Interesse an diesem Mythos bzw. dieser Erzählung?

Man stößt im Theater immer wieder auf Heiner Müller und sein Verständnis von „Stoff“ – also „Material“, das nicht als abgeschlossene Geschichte behandelt, sondern offen, fragmentarisch und neu zusammensetzbar gedacht wird. Das war einer unserer zentralen Gründe, uns mit dem „Medea-Material“ zu beschäftigen: den Mythos nicht als fertige Erzählung, sondern als offenes Material zu begreifen, das dekonstruiert und neu zusammengesetzt werden kann, um aktuelle gesellschafts- und machtpolitische Fragen sowie das europäische Kolonialerbe zu verhandeln.

Hinzu kommen weitere Autor*innen wie etwa Elfriede Jelinek, Christa Wolf, Toni Morrison oder Pier Paolo Pasolini, die den Medea-Mythos jeweils auf ihre eigene Weise neu interpretiert haben. Das hat uns zusätzlich Rückenwind gegeben. Gleichzeitig stellte sich für uns die Frage, wie sich Gods diesem alten Stoff annähern und welche spezifische Perspektive wir heute darauf entwickeln können. Und welche „Figuren“ sind eigentlich diese Autor*innen, die wiederum die Figur Medea auf ihre Weise neu interpretieren?

Ihr tretet in dem Projekt in eine Art Dialog mit anderen Künstler*innen, die sich in der Vergangenheit des Mythos angenommen haben, also u.a. Heiner Müller, Elfriede Jelinek, Christa Wolf oder Pier Paolo Pasolini. Was interessiert Euch an der Auseinandersetzung mit deren künstlerischer Auseinandersetzung bzw. woher kommt die Auswahl genau dieser Personen?

Wie jeder Tatort seine Ermittler*innen aufstellen muss, muss auch Gods ihre eigenen Inspektor*innen finden. Das war ein passender Move, um auf diese markanten öffentlichen Persönlichkeiten zu kommen. Mit anderen Worten: Was sich sonst in 90 Minuten klären lässt, dauert hier Jahrtausende. Medea hält die Welt weiterhin in Atem. Was hat sie getan? Hat sie es überhaupt getan? Nicht einmal das scheint sicher. Die Ermittler*innen sind sich – wieder einmal – uneinig. Christa Wolf sieht keinen Kindsmord, sondern eine politische Intrige. Aber wo sind dann die Kinder geblieben? Kriminalrat Heiner Müller sagt kaum etwas zum Material und nährt mit jedem verrauchten Atemzug den Krebs in seiner Speiseröhre, während Europa erneut dem Abgrund entgegen taumelt. Aus Italien ist eigens der politisch radikale Commissario Pasolini angereist, doch auch er bleibt erfolglos. Bevor er die Kindsmörder finden kann, werden faschistische Schlägertrupps – oder ein 17-jähriger Stricher – sein Leben beendet haben. Auch dieser Fall bleibt ungeklärt. Und Jelinek, Staatsanwältin der Sprachkunst, mit ihrer fast störenden Fähigkeit, Motive zu überdrehen und dabei Wahrheiten freizulegen, dekonstruiert bissig jedes Narrativ. Schließlich: Wann ist ein Verbrechen eigentlich ein Verbrechen? 

Ich glaube damit lässt sich auch deine dritte Frage beantworten: 

Werdet Ihr in dem Mordfall, also bezüglich des Tathergangs, der Motive und der Schuldigen zu neuen Erkenntnissen gelangen bzw. ihn nun endlich und ein für alle Mal gänzlich aufklären?

Die Fragen stellte Esther Holland-Merten.