Wir sind in den letzten Jahren immer wieder über das Schlagwort „Vereinssterben“ gestoßen und fanden es reizvoll, das Thema in einem Bereich zu bearbeiten, der bei vielen sofort die Frage auslöst, ob dieser überhaupt „gerettet“ werden muss. Was ist der Wert einer Blasmusikkapelle, im Vergleich zur Freiwilligen Feuerwehr oder der Bergrettung? Ist auch etwas rettenswert, das man selbst vielleicht gar nicht so super findet? Dabei geht es für uns weniger darum, ob diese Strukturen tatsächlich bedroht sind – es ist vielmehr ein Gedankenspiel. Nora hat als Jugendliche selbst in einer Blasmusikkapelle gespielt und damals sehr wenig damit anfangen können. Mit etwas Abstand fanden wir es spannend, auf diese Erfahrung zurückzublicken, sie künstlerisch zu untersuchen und dieser Welt mit Wärme und Humor zu begegnen. Uns interessiert, wie stark Vereinsleben Identität prägt und wie Gruppen funktionieren, wenn Traditionen auf eine moderne Realität treffen.
WIR SCHAUEN AUF DAS GEWOHNTE, ABER NICHT AUF DIE GEWOHNTE WEISE
Wie kamt Ihr darauf, Euch mit den eher ungewöhnlichen Themen für ein junges Theaterkollektiv, nämlich den Themen Vereinsleben und Blasmusik zu beschäftigen?
Wie habt Ihr gearbeitet? Wie musikalisch ist Euer Abend?
Wir haben in der Recherchephase mit mehreren Blasmusikkapellen gearbeitet, sie interviewt und Einblicke in ihre Protokolle, Archive und Online-Berichte bekommen. Dieses Material floss stark in den Text und die Form des Abends ein. Auch die auf der Bühne verwendeten Uniformen sind ein Erbstück einer Schweizer Blasmusikkapelle, die ihren Auftritt gerade modernisieren möchte. Trotzdem betrachten wir dieses Material natürlich aus einer gewissen Distanz, umkreisen es und spielen auf unsere eigene Weise damit. Auch auf musikalischer Ebene: Unser Komponist Robert Lepenik hat nach eigener Aussage zuletzt vor zwanzig Jahren eine Blasmusikkapelle spielen gehört und aus dieser Erinnerung heraus die Musik für das Stück geschrieben, reduziert auf drei Instrumente: Klarinette, Schlagzeug, Posaune.
Ihr produziert seit Jahren frei in Österreich und auch im ganzen deutschsprachigen Raum – wie kam es zur Gründung Eures Kollektivs Bum Bum Pieces und habt Ihr einen inhaltlichen Schwerpunkt bei Euren Projekten?
Wir haben Bum Bum Pieces gegründet, weil wir einen geteilten Blick auf Absurditäten des Alltags und eine gemeinsame Theatersprache haben, in der Musik ein wesentliches Element darstellt. Inhaltlich zieht es uns oft dahin, Dinge umzudrehen oder scheinbar fixe Rollen zu verschieben: In einem unserer ersten Stücke wird ein Roboter gepflegt statt eines Menschen, in einem anderen Projekt wird ein Abrisshaus wie bei einem Begräbnis verabschiedet und auf seine Lebensgeschichte zurückgeschaut. Auch in diesem Projekt interessiert uns die Umkehrung eines vertrauten Bildes: eine Blasmusikkapelle, aber anstatt einer großen Anzahl von Mitgliedern sind nur noch drei Leute da und sie versuchen trotzdem weiterzumachen. Diese Perspektivwechsel sind für uns eine Art Grundhaltung: Wir schauen auf das Gewohnte, aber nicht auf die gewohnte Weise.
Die Fragen stellte Hannah Lioba Egenolf.